Zur Volunteer-Classification

Dieser Beitrag ist eine von Hannes Jähnert leicht veränderte Fassung. Zuerst erschienen im Weblog “Die wunderbare Welt …

Auf der Suche nach einer empfehlenswerten Methode die ‘richtigen Freiwilligen’ in die ‘richtigen Engagements’ zu vermitteln, stieß ich schon vor einiger Zeit auf das  “Multi-Paradigm Modell of Volunteering” von Nancy McDuff (2006). Auf der Suche welche theoretische Rahmung diesem Konzept wohl zu Grunde liegen könnte, wurde ich auf die tiefenpsychologische Studie von Fritz Riemann aufmerksam.

Riemann untersucht in seinem Werk, das mittlerweile in der 36en Auflage erschienen ist, die “Grundformen der Angst” und unterscheidet dabei zwischen vier Persönlichkeitstypen. In seinen Ausführungen weist er auf mögliche Probleme hin, denen Menschen mit diesen Persönlichkeitstypen begegnen können, nennt aber auch positive Eigenschaften, die zu den jeweiligen Freiwilligentypen in McDuffs Modell passen.


Riemanns Beschreibung der “schizoiden Persönlichkeiten” (Riemann 2003. S. 20ff.), die sich vor allem durch Selbstständigkeit, Unabhängigkeit, Mut, Autonomie usw. auszeichnen (ebd. S.57), passen sehr gut zur Beschreibung der “Entrepreneurial Volunteers” im Feld der Ich-Bezogenheit und der radikalen Veränderung.

Die Beschreibung der “depressiven Persönlichkeiten” (S. 59ff.) wiederum passen sehr gut zur Beschreibung des “Traditional Volunteer” im Feld der Stabilität und Objektivität. Die positiven Eigenschaften dieses Persönlichkeitstypus beschreibt Riemann jedenfalls ähnlich wie McDuff mit dem Satz:

“Er kann verzeihen, kann geduldig warten und Dinge reifen lassen und hat einen wenig ausgeprägten Egoismus” (S. 104)

Auch die von Riemann beschriebenen “zwanghaften Persönlichkeiten” (S. 105ff.) passen in das Volunteer Classification Modell von McDuff. Mit der Angst vor Veränderung, die als Vergänglichkeit und Unsicherheit erlebt wird, richtet sich dieser Persönlichkeitstyp auf Stabilität und Subjektivität aus. Übertragen auf das McDuff’sche Modell schreibt Riemann dem “Serendipitous Volunteer” “Stabilität, Tragfähigkeit, Ausdauer und Pflichtgefühl” zu (S. 154).

Der letzte von Fritz Riemann beschriebene Persönlichkeitstyp ist der “hysterische” (S. 156ff.), der die Notwendigkeit als Endgültigkeit und Unfreiheit erlebt. Er bewegt sich damit im Feld der radikalen Veränderung und Objektivität — richtet also seine Bemühungen auf seine strukturelle Umgebung aus. Dem “Social-Change Volunteer” (dem ‘Weltverbesserer’) könnte man mit Riemann “Farbigkeit, Originalität, Lebendigkeit” und die Fähigkeit der Selbstdarstellung zuschreiben (S. 198).

Zusammenfassend lässt sich hier festhalten, dass die Persönlichkeitstypen aus Riemanns “Grundformen der Angst” recht gut in das “Multi-Paradigm Modell of Vollunteering” von Nacy McDuff passen. Auch wenn Mrs. McDuff Riemann nicht zitiert liefert er mit diesen Persönlichkeitstypen doch eine fundierte theoretische Grundlage für dieses Modell zur Freiwilligenklassifizierung, das natürlich auch ein wertvolles Werkzeug für die Personalisierung des Freiwilligenmanagements ist.

Über Hannes Jähnert
Mein Name ist Hannes Jähnert. Ich bin freier Mitarbeiter und Dozent der Akademie für Ehrenamtlichkeit Deutschland. Seit geraumer Zeit beschäftige ich mich mit dem Online-Volunteering – der Freiwilligenarbeit über das Internet – und der Bürgergesellschaft im Web 2.0. Auf meinem Blog „Die wunderbare Welt …“ beschäftige ich mich in regelmäßigen Beiträgen mit diesen Themen. Auf freiwilligenmanagement.de bin ich als Redakteur aktiv und spende hin und wieder eigene Blogbeiträge zum Thema.

Comments

  1. Primas-Schaider Juliana sagt:

    Erst einmal Gratulation zu dieser Website, ich habe sie eben entdeckt. Als Freiwilligenkoordinatorin und gleichzeitig Psychotherapeutin (in Ausbildung) muss ich gestehen, dass mir diese Klassifikation in Verbindung mit dem tiefenpsychologischen Konstrukt ein wenig (oder mehr?) Bauchschmerzen verursacht: Die Einteilung von Freiwilligen in Verbindung zu bringen mit einem Konstrukt über Persönlichkeitstypen (oder ihre krankheitswertige Konnotation) finde ich irgendwie seltsam… Ich arbeite persönlich mit dem DISG-Modell. Ist zwar auch ein “Schubladendenken”, das mir als Systemikerin nicht unbedingt so liegt, doch

    - ist auch dieses Modell recht praktikabel um die richtigen Menschen an den richtigen Ort zu bringen
    - nachteilige Persönlichkeitsanteile werden angesprochen,
    - aber auch der Umgang damit erläutert (Werte, Bedürfnisse, Kommunikation) und
    - besonderer Wert wird auf Ressourcen, Stärken und Fähigkeiten gelegt.

    Im Sinne der Transparenz erklären wir durchaus auch den Freiwilligen in der Weiterbildung das DISG Persönlichkeitsmodell.

    Herzliche Grüße,
    Juliana Primas-Schaider

  2. Hallo Frau Primas-Schaider, entschuldigen Sie bitte meine sehr späte Antwort. Da ist bei mir wohl etwas unter gegangen. Ich kenne das DISG Persönlichkeitsmodell nicht genau genug, um es umfassend einschätzen zu können, glaube aber, dass es gar nicht so weit von der Volunteer-Classification nach Nancy Macduff entfernt ist. Auch hier gibt es schließlich vier Grundtypen: Dominante (das könnten die Social Change Volunteers sein), Initiative (Serendipitous Volunteers), Stetigkeit (Entrepreneurial Volunteers) und Gewissenhaftigkeit (Traditional Volunteers).

    Vielleicht ist die Argumentation mit den “Grundformen der Angst” nicht ganz im Vokabular der Engagementförderung, ich deke aber — wenn eine Typisierung von Freiwilligen überhaupt möglich ist — , dass dieser Weg ein möglicher ist.

    Freundliche Grüße
    Hannes Jähnert

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